1913 bestritt Albert Ziegler seine ersten Schauflüge in Siebenbürgen

Neben Traian Vuia, der 1905 in Paris seinen eigenen Flugapparat baute und 1906 damit seine ersten Flugversuche unternahm, neben Aurel Vlaicu, über den die ausländische Presse nach seinem tödlichen Absturz bei Cimpina vom 13. September 1913 anerkennend und bedauernd schreibt: "Der Rumäne Vlaicu war der einzige bedeutende Pilot der Balkanstaaten", ist auch ein Siebenbürger Sachse, der Zeidner Albert Ziegler, als Pionier des Flugwesens zu nennen.



Albert Ziegler

Im Jahre 1908, als Vlaicu in den Opel-Automobilwerken von Rüsselsheim tätig war und sich mit Flugmodellen und Motoren beschäftigte, befand sich Albert Ziegler in Berlin. Er betätigte sich als einer der ersten in Deutschland auf dem Gebiet des Flugwesens und legte am 28. Juli 1913 auf den Flugplatz zu Johannistal bei Berlin die Pilotenprüfung mit großem Erfolg ab, die ihn ermächtigte, mit Fluggästen an Bord zu fliegen. In einem Aufsatz über Aviatik schreibt Ziegler: "Ich bin nachweislich der erste aus ganz Siebenbürgen, welcher erfolgreiche längere Flüge unternahm." Nur sechs Wochen nach dem unglücklichen Flug Vlaicus gelang es Ziegler bei einem Schauflug, den er in Weidenbach vorführte, einen Höhenrekord von 3000 Meter aufzustellen; er überflog die Kronstädter Berge, das Burzenland , den Zeidner Berg (1294 m) und seine Heimatgemeinde.

Albert Ziegler wurde am 9. April 1888 als Sohn einfacher Bauern in der Zeidner Langgasse geboren. Schon als Knabe begeisterte ihn das "Fliegen". Er zimmerte sich zwei grosse Schirme und sprang damit vom Stalldach in den elterlichen Hof. Einen ähnlichen Versuch unternahm er mit zwei grossen "Hanklichbrettern", die er als Flügel benutzte, um so dem Geheimnis des Luftwiderstandes auf den Grund zu gehen.

Ziegler besuchte die Volksschule in Zeiden und anschließend erlernte er das Schlosserhandwerk im Heimatort, später dann im nahen Kronstadt. Seine technischen Begabungen zeigte sich bei ihm schon als Lehrling. Er baute einen Motor, für den er bei einer Ausstellung ein Diplom und den goldenen Preis der Handels- und Gewerbekammer erhielt.

Geburtshaus von Albert Ziegler

Seine Beschäftigung mit technischen Dingen war mannigfaltig. Er arbeitete z. B. an einem Motor, der ohne Benzin funktionieren sollte; er projektierte und baute ein Automobil, das auch auf dem Wasser fahren konnte. Später beschäftigte er sich in seiner Freizeit auch mit Funktelegraphie und Nachrichtenübermittlung.

Da ihm die Heimat zu eng wurde und er seine Kenntnisse erweitern und bereichern wollte, zog er in die Fremde. In der französischen Schweiz arbeitete er im Motoren- und Automobilfach. Da Paris zu jener Zeit am weitesten fortgeschritten war, verbrachte er zwei volle Jahre dort. Seinen zwanzigsten Geburtstag feierte er in London und unternahm Reisen durch England und Schottland. Von dort führte ihn sein Weg bald nach Berlin und Wien (Aspern).

In Berlin stellte er sich dem "Internationalen Luftschifffahrtshaus" zu Versuchszwecken zur Verfügung.

Im April 1912 überließ ihm die Firma "Siemens-Schuckert" einen Schuppen mit Büroräumen und dem nötigen Werkzeug sowie einen 50 PS-Motor zu Studienzwecken. Dieser Motor war gebraucht und nur ein Notbehelf. Dennoch baute Ziegler damit nach eigenen Plänen sein "Pfeilflugzeug", mit dem er im Juli 1913 auf dem Bornestedter Felde erfolgreiche Flüge unternommen hat. Die flugtechnische Zeitschrift "Flugsport" berichtete über Zieglers Eindecker, daß er manche Verbesserung gegenüber den bisherigen Maschinen aufweise: Zieglers Maschine hatte p f e i l f ö r m i g angeordnete Tragflächen, die eine außergewöhnlich grosse Steuerfähigkeit besaßen.

Selbstgebautes Flugzeug

Da Ziegler sein Pfeilflugzeug aus minderwertigem und zu Teil altem Material gebaut hatte, konnte er nicht alle seine Erfahrung und Kenntnisse anwenden. Um aber einen solchen Apparat zu bauen, der allen seinen Konstruktionsprinzipien entsprechen sollte, brauchten er einen besseren Motor, brauchte er Geld.

Für die 15.000 Kronen, die seine Landsleute zu diesem Zweck gespendet hatten, kaufte Ziegler den Etrich-Eindecker, mit einem 120 PS-Mercedes-Daimler-Motor. Diesen Motor wollte Ziegler in seinen grossen strapazierfähigen Ziegler-Eindecker einbauen.

Im Herbst 1913 kehrte Ziegler in seine Heimat zurück. Hier unternahm er, umjubelt von seinen Landsleuten, eine Reihe von Schauflügen. Die Einkünfte derselben wollte er für die Verwirklichung seines eigenen, selbst erfundenen Flugzeugprojektes verwenden.

Die "Kronstädter Zeitung" vom 13. Oktober 1913 schreibt: "Der in Berlin ausgebildete Aviatiker Albert Ziegler hält ankommenden Sonntag in der nächsten Nähe der Weidenbächer Bahnstation einen Flugtag ab. Außer den fahrplanmäßigen Zügen werden auch Extrazüge verkehren. Die Eintrittspreise sind ein und zwei Kronen für den ersten und zweiten Platz. Ziegler wird auch Passagiere mitnehmen. Die zu einer Luftfahrt Lust haben, mögen dies aber vorher Ziegler bekannt geben."

Albert Ziegler

Den ersten Schauflug unternahm Albert Ziegler Sonntag, den 19. Oktober 1913, auf dem Flugplatz von Weidenbach, in 300 Meter Höhe über den Köpfen der Zuschauer und im Bogen über Zeiden hinweg. Am gleichen Tag startete er zum zweiten Mal, stieg höher hinauf, überflog Kronstadt , die Kronstädter Berge gegen Petersberg, Brenndorf, nahe an Heldsdorf vorbei gegen den Westrand des Burzenlandes und schließlich höher als der Zeidner Berg über ganz Zeiden hinweg. Nach der Landung wurde Ziegler von eine begeisterten Menge in Zeiden empfangen.

Flugschau

Über die Schauflüge Zieglers berichtete außer der "Kronstädter Zeitung" auch die "Gazeta Transilvaniei" und die "Brasso Naplo" in anerkennender Weise. Das Flugzeug erreichte in vier Minuten eine Höhe von 500 Meter. Der Benzintank fasste 175 Liter, die für 500 Kilometer Entfernung ausreichten. Die Spannweite der Tragflächen betrug 12 Meter und die Länge des Rumpfes 9,50 Meter. Die Flugmaschine erreichte mit einem Eigengewicht von 650 Kilogramm eine Stundengeschwindigkeit von 120 km und konnte noch 400 Kilogramm aufnehmen. Außer dem Piloten konnten noch zwei Passagiere darin Platz finden.

Ähnliche Flüge veranstaltete Ziegler am 4. und 7. Dezember 1913 in Hermannstadt an der Schellenberger Strasse in der Nähe des Türkenhügels. Am 17. Dezember 1913 flog Ziegler über Bistritz und am 21. Dezember über Mediasch.

Über Zieglers Flug und Absturz bei Schäßburg auf der Weißkircher Au berichtet Fritz Hayn, ein Schäßburger Rentner, in der "Volkszeitung" vom 10.April 1966. Er schreibt, daß Zieglers Flugzeug nach dem zweiten Start - er hatte einen Passagier an Bord - mit dem rückwärtigen Gleitsporn an den Weiden der Hattertgrenze hängen geblieben ist und abstürzte. Aber weder der Pilot noch sein Begleiter kamen zu Schaden.

Empfang in Zeiden

Am 14. Juni 1914 zog die "Kronstädter Zeitung" die vorläufige Bilanz von Zieglers Schauflügen: "Ziegler hat bisher in Siebenbürgen 35 Passagierflüge absolviert und mit dem von ihm selbst in Schäßburg gebauten Flugapparat 90 Aufstiege gemacht". Ferner berichtet die Zeitung, daß Ziegler gegen entsprechendes Honorar bereit ist, auch größere Passagierflüge auf das Butschetsch-Plateau oder in größere Entfernungen zu unternehmen.

Ziegler wollte seine Schauflüge auch in Sächsisch-Regen und anderen Städten fortsetzen, wurde aber durch die Schüsse von Sarajevo und dem baldigen Ausbruch des ersten Weltkrieges daran gehindert. Er musste seinen Flugapparat von Sächsisch-Regen nach Österreich verladen; der wurde von der Heeresverwaltung auf 29.000 Kronen geschätzt. Er selbst, Albert Ziegler, war während des Krieges Chefpilot der österreichisch-ungarischen Lloyd-Flugzeugwerke und als Fluglehrer tätig. Er hat in dieser Eigenschaft immer wieder neue Maschinen eingeflogen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg starb er 1946 in Halle an der Saale, fern von der Heimat, die ihm einst gehuldigt, ihn moralisch und materiell unterstützt hatte und auf ihn grosse Stücke hielt.

Albert Ziegler

Artikel geschrieben von Ewald Metter und erschienen in der Zeitung "Neuer Weg", Oktober 1983.