Der Schauspieler
Ernst von Kraus
In der Zeidner Geburtsmatrikel lautet der Eintrag vom 14. Juni 1924: Ernst Kraus. Sein Vater, der Kaufmann Josef Kraus, lehnte den erblichen Adelstitel von 1702 ab, den der Urgroßvater, Thomas von Kraus, aus Fogarasch nach Zeiden mitbrachte. (Alle Zeidner Krausen stammen von diesem ab.)
Nach der Volksschule in
Zeiden und anschließend des Honterusgymnasiums in Kronstadt, besuchte er von
1939-1943 das Lehrerseminar in Hermannstadt. Doch nicht die Pädagogik
interessierte ihn in Hermannstadt, sondern das dort angesiedelte Landestheater.
Er nahm 1941 bis 1943 beim damaligen Oberspielleiter Karl-Fritz Eitel privaten
Schauspielunterricht und hatte 1943/44 an diesem Theater sein erstes Engagement.
Von Herbst 1944 bis zum
1. Mai 1945 musste er in den Krieg ziehen, dem bis Herbst russische
Kriegsgefangenschaft folgte. Heimgekehrt nach Zeiden, musste er acht Monate
versteckt leben und wurde schließlich in ein Kohlebergwerk bei Petroscheny
ausgehoben. Von hier konnte er entkommen und sich den weiteren
Aushebungsversuchen der Behörden entziehen, indem er wiederholt von Zeiden nach
Schäßburg flüchtete. Kraus traf dort einige ehemaligen Kolleginnen und Kollegen
vom Theater, unter ihnen Margot Göttlinger, und sie führten in größeren
Wohnungen, z. B. bei Familie Misselbacher, und in Gärten den versammelten
Theaterliebhabern Stücke vor.
Nach einem Intermezzo, als Kraus 1946 auf Bahngleisen als Streckenarbeiter sein Brot verdienen musste, fand er 1947 in Zeiden eine Anstellung als Lehrer. Gleichzeitig besuchte er das Konservatorium „Gh. Dima – scoala popularã de artã“ in Kronstadt.
In Zeiden hat er sich
während seiner Lehrertätigkeit von 1948 bis 1953 auch dem Laienschauspiel
zugewendet. Seine Mitspieler und die mitwirkenden Schülerinnen und Schüler
erinnern sich sehr gerne an diese Zeit, die ihnen viel Freude und Frohsinn
vermittelt hat.
Es wurden Märchenspiele (Dornröschen, Hänsel und Gretel, Rotkäppchen) aufgeführt, Sketche und Singspiele im Schul-Turnsaal veranstaltet.
Es folgte von 1953 bis 1959 die Spielzeit am Deutschen Staatstheater in Temeswar, ab 1959 an der Deutschen Sektion des Staatstheaters in Hermannstadt. 1963 wanderte Kraus nach Deutschland aus.
Im ersten Jahr in
Deutschland (1963) spielte er am „Theater der Jugend“ in München. Hier heiratete
Ernst Kraus die Kollegin Gerda Roth aus Siebenbürgen und im Januar 1964 wurde
ihnen ihre Tochter Andrea geschenkt. Bedauernd teilte er uns mit, dass die Ehe
noch im selben Jahr geschieden wurde.
Es folgten Engagements am
Stadttheater in Hildesheim (1963-64), am Landestheater Coburg (1964-66), an der
Landesbühne Saarbrücken (1966-69), am Stadttheater Regensburg (1966-74),am
Stadttheater Bremerhaven (1974-77), abermals am Stadttheater Regensburg
(1977-79) und wieder am Stadttheater Bremerhaven (1979-87).
Nach der Pensionierung 1987 gab Ernst von Kraus, der während seiner Künstlerlaufbahn und bis heute den alten Adelstitel führt, ein Gastspiel in Marburg/Lahn (April/Mai), dann folgte eine Tournee mit dem „Ohnsorgtheater“ Hamburg (Sept./Nov. 1989), danach ein Gastspiel am „Theater im Marquardt“ Stuttgart (Nov. 1991-Feb. 1992) und anschließend eine Tournee mit diesem Theater (Februar bis April 1992).
Sein Repertoire reichte
vom jugendlichen Liebhaberüber
den Charakterdarsteller (Nathan der Weise) bis zu modernen, zeitkritischen
Rollen. Dazu gehören die Rollen Professor Mamlock, Honoré Lachailles in „Gigi“.
Besonders gerne spielte er den Higgins in „My Fair Lady“.
Balduin Herter. In: Zeidner Gruss Nr. 78, Georgstag 1995, Seite 26. (gekürzt)